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Pride in BudapestVolle Prideseite

Kommentar von Yasemin Said

Nach dem High der größten Pride der ungarischen Geschichte muss es praktisch werden: LGBTQIA+ Personen brauchen Kom­pli­z*in­nen in ganz Europa.

Was hier passierte, ist einmalig – über 200.000 Menschen demonstrierten auf der Pride in Budapest Foto: Bernadett Szabo/reuters

N iemand in Budapest hatte damit gerechnet, dass die Unterstützung für LGBTQIA+ Personen dieses Jahr so groß sein würde. Als unzählige Menschen bei der Pride-Parade auch die Nebenstraßen füllten und die Schritte schon langsamer wurden, war klar: Was hier heute passiert, ist einmalig.

Mit einem Verbot war Orbáns Polizei zu weit gegangen. Über 200.000 demonstrierende Menschen zeigten darum bei der Pride in Budapest, dass der Ruf nach dem Schutz liberaler, demokratischer Werte sehr laut sein kann.

Die Fidesz-Regierung hatte in den letzten Jahren nicht nur die Zukunft queerer, sondern aller Un­ga­r*in­nen aufs Spiel gesetzt. Die sogenannten Propaganda-Gesetze, die Orbán 2021 erlassen hatte, kriminalisierten queere Inhalte immens: Filme mit gleichgeschlechtlichen Paaren wurden dem Kinder- und Jugendschutz unterworfen. Jegliche „Darstellung oder Förderung“ von der Norm abweichender Lebensweisen wurde verboten. Der letzte Schritt, die Rechte von Queers in Ungarn zu beschränken, war der gescheiterte Versuch, die diesjährige Pride zu stoppen.

Alle Augen auf Orbán

Der Druck durch die Zivilgesellschaft und zahlreiche Europaabgeordnete war erfolgreich. Dass ganz Europa die Aufmerksamkeit nach Budapest lenkte, weil ein Autokrat einen queerfeindlichen Kurs fährt, wurde zur effektiven Zurechtweisung.

Jetzt muss diese Mobilisierung zur Blaupause für grenzübergreifende Solidarität werden. Einen langen Atem zu beweisen heißt, dass regelmäßige Aktionen und Bündnisse folgen müssen, die auf europäischer Ebene Druck ausüben. Denn die neue Dominanz rechter Akteure und deren LGBTQIA+-feindliche Politik ist eine Entwicklung, die Orbán zuletzt mit der Gründung der „Patrioten für Europa“ im EU-Parlament besiegelt hatte, immerhin als drittstärkste Kraft.

Aktionen sind auch in Deutschland nötig

Auch in Deutschland muss die steigende Bedrohung von rechts gegen CSD-Feierlichkeiten und queere Initiativen Anlass für organisierte Unterstützung sein. Denn wenn Solidarität sich in Worten erschöpft, werden diese Projekte auf Dauer nicht durchhalten, vor allem nicht in durch Rechte dominierten Räumen. Das haben die Angriffe in Bad Freienwalde, Bautzen oder auch die abgesagte Pride in Regensburg gezeigt.

Das Projekt „Pride Soli Ride“ aus Berlin plant seit letztem Jahr aus diesem Grund gemeinsame Fahrten zu queeren Veranstaltungen in anderen Städten. Die Bedrohungslage fordert Aktionen: Po­li­ti­ke­r*in­nen müssen sich den Prides anschließen, statt über sie zu twittern; Sicherheitskräfte müssen gestellt werden, solidarische Mit­bür­ge­r*in­nen sich für queeres Leben außerhalb des 10-km-Umkreises interessieren. Die Bedeutung neuer Bündnisse und die Konzepte einer solidarischen Gemeinschaft waren vielleicht selten so wichtig wie jetzt.

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13 Kommentare

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  • Wäre nicht eine - andere oder im Handeln deutlich veränderte - Regierung in Ungarn die Lösung, die wieder universal allen die Rechte garantiert? Die sofort versteht, dass da niemand anderen etwas wegnähme und universal denkend Bürgers- und Menschenrechte sicherstellt?

  • Wovor haben diese Hass getriebenen Menschen Angst, dass sie anderen Menschen das Recht auf freie Entfaltung verbieten wollen?

    Als Demokrat sehe ich mich in der Pflicht, auch für die Freiheit und die Rechte von Minderheiten einzustehen und zu kämpfen.

    Dieses Jahr habe ich es leider verpennt, aber im nächsten Jahr werde ich versuchen, ein paar Freundinnen und Freunde zu motivieren mit mir am CSD in Hannover teilzunehmen.

    Meine Freiheiten und Rechte als "Hetero"-Mann werden in keiner Weise eingeschränkt, wenn LGBTQIA+ Menschen dieselben Rechte haben wie ich, weshalb sollte ich also dagegen sein, wenn diese Menschen sich nicht verstecken müssen sondern sich frei und sichtbar entfalten können?

    PS: Bevor jemand auf die Idee kommt, dass man dann ja auch für die Minderheit der Nazis eintreten muss: nein, muss man nicht (im Gegenteil, die müssen mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln bekämpft werden), denn die wollen die Freiheiten und Rechte aller Menschen abschaffen und das hat nichts mit Demokratie zu tun.

    • @Truhe:

      Es gibt keine Neutralitätspflicht für Heteros, Sie dürfen also voll und ganz solidarisch sein und komplett einseitig die Werte von Gleichheit und Brüderlichkeit hochhalten :)



      Und ich freu mich persönlich über Ihre Unterstützung. Ich sag immer: CSD für alle! So wird er nämlich erst, was er eigentlich sein soll.

  • Ich werde kommendes Wochenende zur Pride Party in einer Kleinstadt fahren, die ein paar Kilometer von hier entfernt ist. Hier in der Landeshauptstadt braucht die Parade mich nicht als Unterstützerin - hier ist es eine Sommerparty, viel Spaß, annähernd keine Bedrohung, viele Unterstützer. Wenn auch die großen Geldgeber aus Kadavergehorsam gegenüber dem orangenen Ami der Reihe nach abspringen und ihr Geld mitnehmen.



    Aber das Kaff nebenan mit unsichtbarem Bürgermeister kann es gebrauchen, wenn zum ersten CSD-Umzug ever auch ein paar "Mainstreamer" mitlaufen und zeigen: Wir sind auch an queeren Rechten, an Freiheit der Lebensformen und an Sichtbarkeit von Minderheiten interessiert, es gibt keinen Grund, sich hier vor irgendwas zu fürchten.

  • Das folgende Video wurde nicht in Budapest aufgenommen, sondern bei der #eastpride. Ich hoffe, es ist OK, wenn ich das hier poste, ich habe keinen Artikel über diese Parade in der taz gefunden.

    Nun denn, es handelt um ein außergewöhnliches zeitgeschichtliches Dokument. Demonstrieren doch dort Member der LGBTQ-Gemeinde unter anderem israelsolidarisch durch den Osten Berlins. Dort wurden israelische Fahnen nicht verbrannt, sondern queer interpretiert geschwenkt.

    Oder, wie auf einem Schild stand: "Homos gegen Hamas".

    Man könnte direkt feuchte Augen bekommen:

    www.facebook.com/w...v=9829826910472854

    "We will dance again. Nova"

    • @Jim Hawkins:

      Ich bin nicht auf Facebook unterwegs. Wenn ich auf dem instgram-account vom East Pride Regebogenfahnen mit dem David-Stern und den Farben der ukrainischen Nationalflagge sehe, finde ich das als insbesondere israelsolidarisch aktiver Mensch super. Andererseits erweckt es in mir auch Mißtrauen, wenn zuvorderst im Motto des CSD lese "Homos, Juden, Frauen", die hier für Leben und Freiheit kämpfen würden. Ich weiß natürlich von dem nicht zu akzeptierenden "Queers for palestine", das insbesondere wohl aus einer Linksdogmatik kommt. Ich verstehe mich jedoch klar als queer. Den Begriff wähle ich bewußt, schließt er doch geschlechtliche Identitäten und ihre Vielfalt mit ein. Das kommt mir bei dem Motto und auch so einem blossen Demo-Schriftzug wie "Homos für Israel" nicht so vor. Es ist mir auch eigener Erfahrung unverständlich, wie manche, im Gegensatz zu mir, Israelsolidarität und trans Menschen includierende Queerness nicht überein bringen können. Freies jüdisches Leben und freies queeres Leben sind als Menschenrechte selbstverständlich unteilbar.

  • Ich halte Pride Ride Soli für eine ausgezeichnete Idee, sind doch tausende Wiener und Wienerinnen zur Pride nach Budapest gefahren, um dort die Critical Mass zu unterstützen!

  • Lange Zeit wurde beim Aussehen von Kinder kein Wert auf binäre Rollenverteilung gelegt, und zwar bei den Herrschenden, vor „unserer“ (tatsächlich der franz.) bürgerlichen Revolution:



    www.nationalgeogra...nke-kleider-trugen

  • fangen wir gleich mal mit der beflaggung aller staatlichen gebäuder an

  • In anderen Ländern ist Pride viel mehr auf die Solidarität der ganzen Gesellschaft ausgerichtet. In Norwegen zB ist es ein Fest für die ganze Familie, und es wird viel stärker in den Vordergrund gerückt, dass LGBT heterosexuelle Familienmitglieder, Freunde und Kollegen haben, die sich eben auch für ihre Gleichstellung und gegen Diskriminierung starkmachen. Die laufen da oft auch mit bei den Paraden, und von viel mehr Balkonen und Fenstern hängt die Regenbogenfahne - und nicht nur entlang der Paradestrecke. Hier in Deutschland sind CSDs zumindest in den Großstädten irgendwie immer so ein Mega-Event, das aber abgekoppelt vom Rest der Gesellschaft wirkt. Dazu passt, dass man in Deutschland den Diskurs vor Öffnung der Ehe ganz anders als zB in Spanien und den USA fast gar nicht als Menschen- und Bürgerrechtsdiskurs führte, sondern so, als gehe es um so etwas wie Steuergerechtigkeit.

  • Ob sich die Akzeptanz dessen, was mit dem CSD zum Ausdruck gebracht werden soll, durch von außerhalb anreisenden Aktivisten erreicht werden kann, ist zumindest anzuzweifeln.

    • @Unionerin aus Offenbach:

      Da kann ich aus Erfahrung gut widersprechen. In Husum fand letztes Jahr ein erster CSD statt. Es waren von außerhalb viele Zugereiste auf der Demo. In meinem voll besetzten Regionalzug nach Husum waren zur Hälfte ersichtlich Leute auf dem Weg zum CSD. Die Demo kam auf sogar etwa 1000 Teilnehmende und ging durch viele kleine Seitenstraßen. Wir wurden von den Einwohner*innen interessiert, herzlichst und erfreut empfangen. Es gab - wenn - nur wenigste und überhaupt nur zu mutmaßende Ablehnung, außer einem sich für religiös Haltenden. Der Zuspruch der einheimischen Bevölkerung deckt sich sehr mit den Berichten von anderen kleineren CSDs aus wesentlich kleineren Orten. Diese CSDs sind mit ihrem Zuspruch in der Bevölkerung insbesondere auch ein effektiver Gegenpart zu der in manchen ländlichen Gegenden sich gebildeten rechtsextremen Szene. Und im großen Budapest wurde auch durch die Solidarität von Außen die Polizei gezwungen, Rechtsextreme in Schach zu halten und so vielleicht sogar ein Stück zu demotivieren.

  • Sehr gute Nachrichten die mir viel Optimismus für die Zukunft geben, sofern jetzt alte Fehler nicht wiederholt werden.

    Eine von mir Ezra Klein und Sara McBride vertretene Position ist, dass die Rechten grade (wie vor 8 Jahren oder so die progressive Linke) ihr "Mandat" vollkommen falsch einschätzen. Sie glauben der Zeitgeist sei auf ihrer Seite und es könnten jetzt alle, aber auch wirklich alle Projekte, Gesetze und Kulturveränderungen angepackt und umgesetzt werden.



    Dabei erzeugen sie schon jetzt am Anfang ihrer Agenda eine (autoritäre) Illiberalität die dazu führt, dass die Menschen sich über sie aufregen und sich gegen sie und ihre (ansonsten geteilten) Anliegen stellten.

    Ich habe Hoffnung, weil auch der linke Illiberalismus in einer kompletten Katastrophe für die Linken geendet ist.



    Das gleiche steht den Rechten bevor, nur viel schlimmer. Denn die haben noch mal eine Schippe drauf gelegt was die Überschätzung des eigenen "Mandats" angeht.

OSZAR »