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Gaza-KriegUSA wollen Palästinenser laut Bericht nach Libyen umsiedeln

Laut NBC führt die Trump-Regierung Gespräche mit libyschen Politikern zur Aufnahme von einer Million Pa­läs­ti­nen­se­r:in­nen. Die Idee ist nicht neu.

Israel und die USA möchten die Pa­läs­ti­nen­se­r:in­nen aus dem Gazastreifen vertreiben. Eine Szene vom 17. Mai Foto: Saeed Jarras/imago

Tunis taz | Ein vom amerikanischen TV-Sender NBC veröffentlichter Plan, wonach die USA plane, eine Million Pa­läs­ti­nen­se­r:in­nen umzusiedeln, sorgt in Libyen für Unmut. Am Freitag berichteten NBC-Journalisten, die Trump-Regierung führe bereits Gespräche mit libyschen Politikern über die Umsetzung. Als Gegenleistung für die Aufnahme der Vertriebenen aus Gaza sollen eingefrorene libysche Staatsgelder, die das frühere Regime von Muammar Gaddafi auf US-Banken deponiert hatte, zurücküberwiesen werden. Laut NBC sei eine Luftbrücke nach Bengasi geplant, von wo aus die Menschen auf verschiedene Städte verteilt werden sollen.

NBC beruft sich auf Gespräche mit gut informierten Quellen aus der Administration in Washington. Ein Sprecher des US-Außenministeriums bestritt die Existenz eines solchen Plans, ebenso wie die US-Botschaft für Libyen, die aus Sicherheitsgründen nach Tunis verlegt wurde.

Viele Libyer vermuten, die Veröffentlichung des Plans diene als Test der öffentlichen Meinung, sei aber ernst gemeint. Israelische Medien spekulieren seit Monaten über mögliche Zielländer für die über zwei Millionen Pa­läs­ti­nen­se­r:in­nen in Gaza. Nationalradikale Politiker wie Finanzminister Bezalel Smotrich schlugen bereits Somaliland oder den Sudan vor, doch konkrete Verhandlungen mit den dortigen Regierungen gab es offenbar nicht.

Mit nur sieben Millionen Einwohnern ist Libyen eines der am dünnsten besiedelten Länder Nordafrikas. Das Land ist in zwei rivalisierende Regierungen gespalten. Eine sitzt im Westen in Tripolis, die andere in Bengasi im Osten. Laut dem westlibyschen Innenminister Emad leben dort derzeit über zwei Millionen Migrant:innen, von denen viele in ihre Heimatländer abgeschoben werden sollen.

Eindeutige Ablehnung in Libyen

Die Idee, die politische Spaltung Libyens für die Umsiedlung der Pa­läs­ti­nen­se­r:in­nen zu nutzen, tauchte erstmals vor Monaten in einem Artikel der „Times of Israel“ auf. Der Artikel verwies auf Kontakte israelischer Sicherheitsbehörden zur „Libyschen Nationalarmee“ von Khalifa Haftar und spekulierte über Details: So seien etwa für die Aktion 1173 Flüge von Ägypten nach Bengasi nötig.

In Tripolis und Bengasi ist die Ablehnung des Plans eindeutig. „Niemand in Libyen wird es wagen, sich zum Handlanger eines Genozids zu machen“, sagt Moutaz Mathi, ein Journalist aus Tripolis. Nach den Kriegen seit 2011 fürchten viele, dass sich erneut radikale Milizen im Land festsetzen könnten.

Obwohl der Plan als absurd gilt, ist die Enttäuschung groß, dass die NBC-Meldung eine der wenigen westlichen Reaktionen auf Libyens aktuellen Machtkampf ist. In der vergangenen Woche lieferten sich Regierungsmilizen und rivalisierende Warlords schwere Straßenkämpfe.

Während Israels Radikale noch kein Zielland für die Pa­läs­ti­nen­se­r:in­nen aus Gaza gefunden haben, gibt es für die Vertriebenen aus den Flüchtlingslagern Jenin und Tulkarem im Westjordanland klare Anweisungen, nach Jordanien zu gehen. Der palästinensische Menschenrechtsaktivist Issa Amro aus Hebron erklärte der taz, Israel habe sowohl im Westjordanland als auch in Gaza eine neue Phase seiner Strategie eingeleitet, um möglichst viele Pa­läs­ti­nen­se­r:in­nen zur Ausreise zu zwingen: „Die Zahl der Übergriffe im Westjordanland haben gleichzeitig mit den neuen Luftangriffen in Gaza drastisch zugenommen, immer mehr Familien wollen gehen.“

Israels Finanzminister Smotrich hatte diese Strategie vor Monaten angekündigt und das Aushungern als Druckmittel erwähnt. Laut ihm hätten die ersten 300 Pa­läs­ti­nen­se­r:in­nen den Grenzübergang bei Rafah bereits passiert.

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12 Kommentare

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  • Vertreibung, Deportation, Umsiedlung, Ermordung



    Nach dem 1. Weltkrieg wurde dies in großem Stil in Europa durchgeführt, um homogene Nationalstaaten mit einem Staatsvolk, einer Staatssprache, einer Staatsreligion und einem Staatsgebiet zuerreichen.



    Meist wurden die Menschen gar nicht gefragt.



    Millionen Menschen starben.



    Bspw. Griechen und Türken.



    Die neuen Nationalstaaten - darunter auch Deutschland - hatten trotzdem mationale Minderheiten, die zumindest majorisiert wurden.



    Nationalstaaten, egal ob auf Sprache, Kultur oder Religion gegründet - Rasse, Ethnie oder ähnliches gibt es nicht - führen zu Ausschluss und Vertreibung von Menschen.



    Wer sich ihrer sicher ist und sie pflegt, benötigt keinen auf sie gegründeten Staat.



    Manche Menschen halten an ihrer Religion über Jahrtausende fest und werden deshalb Volk genannt.



    Wie es scheint wurden und werden Menschen, die nicht wie die größte Gruppe sind, als Bedrohung angesehen, ausgegrenzt, bedroht, vertrieben oder ermordet, aber auch assimiliert - als wäre die größte Gruppe das alleinige Maß.



    Freiheit ist das nicht.



    Gleichheit ist das nicht.



    Von Solidarität ganz zu schweigen.

  • Da soll noch jemand sagen, es hätte sich seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges viel geändert. Es gibt immer noch Menschen, die man deportieren will.

  • Es gab auch mal die Idee, Juden nach Madagaskar zu deportieren.



    Jetzt eben Palästinenser ins notorische Bürgerkriegsland Libyen.



    Offensichtlich nichts gelernt!

  • Wieder so eine kaputte Trump-Idee.

  • Der Trump'sche Deportationsdeal?



    Erfahrungen mit Umsiedlungen haben sie selbst in ihrem Land schon vorzuweisen:



    "Die Internierung japanischer Amerikaner auf amerikanischem Boden während des Zweiten Weltkriegs gilt als eine der verabscheuungswürdigsten Verletzungen der amerikanischen Bürgerrechte im 20. Jahrhunderts. Dennoch glaubten viele, dass ihre Regierung nach dem japanischen Angriff auf Pearl Harbor und einem späteren Angriff auf die US-Westküste das Richtige tat. Etwa 80.000 der Verhafteten waren in den USA geborene Japaner der zweiten Generation, die die amerikanische Staatsbürgerschaft besaßen. Hunderttausende weitere waren jedoch Einwanderer, die keinen Anspruch auf einen US-Pass hatten. Sie alle wurden jedoch in über die Vereinigten Staaten verstreuten Internierungszentren inhaftiert."



    Quelle msn.com



    Bürgerrechte, Menschenrechte, alles eine Frage von Anerkennung und Durchsetzungsmöglichkeiten.



    Wirtschaftliche Aspekte in diesen Konstellationen sollten auch ethisch/moralisch bewertet werden, von allen Beteiligten und Betroffenen.

  • Warum ist der Plan absurd? In der zweiten Hälfte der 40er Jahre wurden Juden aus den nordafrikanischen Staaten vertrieben, 900.000 an der Zahl

    Wenn es der Befriedung dient, warum nicht. Zumal der Palästinenser eine Sondersituation haben, dass es sich heute hauptsächlich um Nachkommen der Vertriebenen nach 1948 handelt, es also gar keine echten Vertriebenen sind.

    Die Gefahr besteht aber in einer Tabula-rasa-Politik, dergestalt man Länder wie Jordanien oder Libanon überfordert.

    Das bedeutet noch lange nicht die Aufgabe einer Zweistaatenlösung, die gerechtfertigt ist. Die zur Zeit aber nicht umsetzbar ist, da Hamas und IDF zu viel Zerstörung zu verantworten haben und Hamas die Gaza-Bevölkerung in Geiselhaft hält. Sie muss zuerst zerstört werden - vorher gibt es keinen Frieden.

    • @rakader:

      Nach Völkerrecht sind das Vertriebene, die zudem ein Rückkehrrecht haben - nebst Ansprüche auf Entschädigung Erst Letzthin wieder festgestellt von UN, General AssemblyA/ES-10/L.31/Rev.1 im Rekurs auf die Advisory Opinion des ICJ, Tenth emergency special session, Agenda item 5, Illegal Israeli actions in Occupied East Jerusalem and the rest of the Occupied Palestinian Territory, 13.9.2024 (www.undocs.org/Hom...ngRequested=False). Könnte man eigentlich wissen, wenn man nur wollte.

    • @rakader:

      Es ist ungeheuerlich, dass derart offen völkerrechtswidrige ethnische Säuberung überhaupt diskutiert wird: GENEVA CONVENTION RELATIVE TO THE PROTECTION OF CIVILIAN PERSONS IN TIME OF WAR OF 12 AUGUST 1949 - SECTION III Occupied territories, Article 49. Individual or mass forcible transfers, as well as deportations of protected persons from occupied territory to the territory of the Occupying Power or to that of any other country, occupied or not, are prohibited, regardless of their motive. [...]. Derzeit ist offene Komplizenschaft mit dem andauernden Bruch des Völkerrechts - von Kriegsverbrechen über Verbrechen gegen die Menschlichkeit bis zu Genozid (untersucht von ICC/ICJ) aber wieder sehr beliebt.

    • @rakader:

      Unrecht damit zu begründen, dass vor 80 Jahren einer anderen Gruppe ebenfalls Unrecht geschehen ist, halte ich -gelinde gesagt- für Blödsinn.



      Auch handelt es sich beim Gazastreifen nicht um israelisches Gebiet, sondern um palästinensische, dies laut der entsprechenden UN-Resolution. Daher wären natürlich "echte" Vertriebene, etliche davon allerdings mehrfach vertrieben.



      Der Ansatz, Menschen gegen ihren Willen in Länder umzusiedeln, die diese gar nicht aufnehmen wollen, ist absolut imperialistisch und zeigt vor allem die Denkweise seiner Urheber.

    • @rakader:

      Der Plan, welcher Sie selbst offenbar an die Vertreibung von Juden aus arabischen Staaten erinnert, ist absurd, weil er eine Vertreibung bedeutet.



      Die Tatsache, dass Juden bereits (mehr als) eine Vertreibung erleben mussten, macht die Vertreibung von Palästinensern nicht weniger falsch.



      Es ist gelinde gesagt irritierend, dass derartige Selbstverständlichkeiten ausbuchstabiert werden müssen.

    • @rakader:

      Wir sind aber nicht mehr in den 40 er Jahren und es gibt sowas wie Völkerrecht. Das ist nichts weiter als Zwangsumsiedlung bzw. ethnische Säuberung und stellt ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit dar. Und haben sie sich mal Libyen angeschaut? Das ist ein failed state auch Dank der USA und einiger europäischer Staaten. Dort gibt es wieder Sklaverei und sowieso schwere Menschenrechtsverletzungen. Vom Regen in die Traufe. Und als Deutscher sollte man es eigentlich besser wissen, als die Zwangsvertreibung von Menschen zu promoten.

      • @Momo Bar:

        Die Menschen haben halt nichts gelernt.

        Es wird mal wieder mit zweierlei Maß gemessen.

        Auf der einen Seite darauf hingewiesen das es ja schon mal passiert ist (mit dem Hinweis wie schlimm und unmenschlich es war) auf der anderen Seite heißt man es gut weil es jetzt die "andere" Seite betrifft.



        Mit dem Unterschied das es ganz plötzlich nicht mehr 'schlimm und unmenschlich" ist.

OSZAR »