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Nach unaufgeklärtem BlackoutSpanische Atomlobby sieht ihre große Chance

Nach dem Mega-Stromausfall setzt die spanische Opposition alles daran, die Energiewende dafür verantwortlich zu machen. Ihre Alternative: Atomstrom.

Habemus immer noch Atom: Weiße Schwaden aus dem AKW Ascó vor Windanlagen Foto: Sergi Reboredo/imago

Madrid taz | Es ist eine günstige Zeit für Desinformation. Am 28. April brach auf der iberischen Halbinsel das Stromnetz vollständig zusammen, Spanien und Portugal hatten zehn Stunden keinen Strom, viele Menschen sind seitdem verunsichert. Dies nutzen die politische Rechte und die Atomlobby. Die konservative spanische Partido Popular und die rechtsextreme VOX sprechen von einem „Ergebnis einer verfehlten linken Energiepolitik“ und meinen damit den Ausstieg aus Kohle und Atom. Die Atomlobby möchte eine Laufzeitverlängerung für die Atomkraft und weniger Abgaben.

Sie alle beschuldigen die erneuerbaren Energien, verantwortlich für den Zusammenbruch der Stromversorgung zu sein, allen voran die Solarenergie. Zum Zeitpunkt des Ausfalls kamen 58 Prozent des Stroms aus Photovoltaikanlagen, 13 Prozent aus Windparks. Die vier von insgesamt sieben AKW, die gerade am Netz waren, lieferten 13 Prozent. Der Rest kam von Wasser- und Gaskraftwerken.

Das Netz habe die viele Energie aus Erneuerbaren nicht bewältigen können und deshalb gestreikt, lassen die rechten Parteien verbreiten. Der sozialistische Ministerpräsident Pedro Sánchez habe vor dem Blackout höchstpersönlich angeordnet, dass der Strom zu 100 Prozent aus erneuerbaren Quellen stammen müsse – koste es, was es wolle. „Das Experiment von Sánchez, das Spanien fast zum Kollabieren brachte“, betitelt ein Online-Medium aus dem Umfeld der rechten Opposition eine der Falschmeldungen.

„Der Anteil an Erneuerbaren am Strommix war in jenem Tagen bei weitem nicht am höchsten“, erklärt ein Sprecher des Energieministeriums auf Nachfrage. Das Netz habe bislang mit bis zu 100 Prozent Erneuerbaren immer wieder perfekt funktioniert.

Ursachenforschung läuft noch

Warum das System versagt habe, ist weiter unklar. Fest steht: Dem Blackout um 12:33 Uhr gingen drei heftige Schwankungen im Südosten der iberischen Halbinsel binnen drei Minuten voraus. 15 der insgesamt 25 nachgefragten Gigawatt brachen weg, das Stromnetz fiel aus, die Verbindung nach Frankreich und damit nach Europa wurde automatisch gekappt. Die Linkskoalition unter dem Sozialisten Pedro Sánchez hat Untersuchungskommissionen zum Versorgungssystem und zur Cybersicherheit gestartet. Ebenso wie europäische Institutionen forschen sie nach den Ursachen.

Keine Möglichkeit sei auszuschließen, so das Ministerium: weder ein technischer Fehler noch menschliches Versagen bei den Netzbetreibern oder den Stromerzeugern. Auch ein Cyberangriff sei nicht endgültig vom Tisch – wenn auch unwahrscheinlich.

Die Opposition besteht aber auf ihren einfachen Antworten: „Die Regierung hat versucht, uns so schnell wie irgend möglich einen Übergang von stabilen Energieformen wie etwa die Atomenergie und Gas zu anderen wie Sonne und Wind aufzudrücken“, erklärt ein Sprecher der rechtsextremen VOX. Die PP bedauert, dass die Regierungen die AKW bis 2035 nach und nach abschalten wolle.

AKW zu schwerfällig

Sánchez selbst sagte vor dem Parlament: „Die AKW waren nicht die Lösung, sondern ein Problem.“ Als das Netz in die Knie ging, schalteten sie sich aus Sicherheitsgründen ab. Und als später alles wieder langsam hochgefahren wurde, kam zunächst Strom aus Frankreich und Marokko, dann aus Wasserkraft und Gas, gefolgt von Wind und am nächsten Morgen den Solarkraftwerken. Zuletzt lieferten die AKW wieder – ihr An- und Abschalten braucht Zeit.

Hinzu kommt: Zum Zeitpunkt des Blackouts waren nur vier AKW am Netz, weil Atomkraft nicht wirtschaftlich ist. Atomlobby und PP fordern deshalb auch, Steuern und Abgaben zu senken, um Atomstrom gegenüber den billigen Erneuerbaren annähernd wettbewerbsfähig zu machen. „Die AKW müssen eine gigantische Abgabenlast ertragen, die es ihnen immer wieder unmöglich macht, am Markt Erfolg zu haben“, erklärt der Vorsitzende der Lobbyorganisation Foro Nuclear, Ignacio Araluce.

Die Regierung wirft Atomlobby und Opposition vor, die Betriebs- und Folgekosten der Atomenergie auf den Steuerzahler abwälzen zu wollen, und besteht auf dem Atomausstieg.

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16 Kommentare

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  • Mittlerweile ist es sogar in Spanien üblich, dass die Kunden in regionalen Apps zu den Strompreisen informiert werden, erwähnt wird dabei auch das Herunterfahren der KKW.



    Der Konflikt ziwschen Regierung sowie der PP und VOX ist nicht neu, sogar in einigen Regionen tut sich die PSOE sehr schwer.



    Hintergrund ist die Tatsache, dass der Atommeiler Almaraz I im Okt. 2027 abgeschaltet wird, Block II folgt in 10/2028.



    Beteiligt sind immer wieder die grossen Player Iberdrola, Endesa und Naturgy. Bereits jetzt wird Almaraz als Zwischenlager genutzt,



    aber regional möchten die Politiker gerne alles ausbremsen.



    Zudem kommt noch der Ärger mit dem Nachbarn Portugal, dessen



    berechtigten Interessen leider seit 2017 ignoriert wurden.

    Fakt ist, regionale Speicherkapazitäten sind noch zu gering, aber der Ausbau der Wind und PV Kapazitäten geht mit hohen Einsatz weiter, die Zeitung elpais bezeichnete einmal die Region Andalusien, Estremadura und die La Mancha als grüne Batterie Spaniens.



    Aufklärung ist gefordert, glücklicherweise war der blackout nicht



    im Hochsommer , viele Frage sind noch offen.

  • Man muss aber auch zugeben, es gibt unterschiedliche KKWs mit unterschiedlicher Lastfolgeeignung. Dabei ist als Spitzenmodell der Lastfolgeeignung der schnelle natriumgekühlte Reaktor von Terrapower zu nennen, von dem das erste Exemplar gerade in Wyoming gebaut wird mit einer geplanten Bauzeit von 6 Jahren. Dieser Reaktor kann dauerhaft 100 bis 345 MW Leisten und dank den Flüssigsalzspeicher auch eine Leistung von 500 MW für 5,5 Stunden erbringen. Der höchste Leistungsgradient liegt dabei bei 10% die Minute. Dieser Reaktor wurde extra für Stromnetze mit einen hohen Anteil an Wind und Solar errichtet und eine ernsthafte Konkurrenz für ein Gaskraftwerk.

    Da technisch gesehen heute alle Actinoide im Brennstoff verwertbar sind, ist es möglich dass nur noch Spaltprodukte übrig bleiben welche nach nur wenigen hundert Jahren auf die Radioaktivität von Natururan abklingen. Kernkraftwerke sind auch äußerst sicher konstruierbar und die angebliche "Hochrisikotechnologie" hat bereits heute mit am wenigsten Tote je erzeugter Energieeinheit.

    Wenn sich also Mühe gegeben wird ist Kernenergie eine Bereicherung des Energiemixes, worüber es sich nochmal lohnen würde sachlich zu debattieren.

  • "Das Netz habe die viele Energie aus Erneuerbaren nicht bewältigen können und deshalb gestreikt, lassen die rechten Parteien verbreiten."



    Interessante Sichtweise auf das Netz als Subjekt.



    Tatsächlich ist verwunderlich, dass Blackouts nicht häufiger vorkommen, also nicht "intensiver gestreikt" wird.

    "Netze BW startet Pilotprojekt



    "Selbstheilende" Stromnetze sollen Blackouts in Sekundenschnelle beheben."

    www.swr.de/swraktu...e-beheben-100.html

    Weiter dort:



    "Energiewende erfordert intelligente Lösungen



    "Wir erfinden uns hier ein Stück weit neu", sagt Dirk Güsewell, EnBW-Vorstand Systemkritische Infrastruktur. "Dafür gibt es keine Blaupause." Der Test sei quasi eine Operation am offenen Herzen, weil er parallel zum laufenden Betrieb geschehe."



    In Spanien wird das auch möglich sein.

  • Warum der Fetisch?



    CO2-Ausstoß der Stromproduktion in g/kWh im April 2025:

    Frankreich 24



    Spanien 112



    Deutschland 344

    Das Ergebnis der dt. Energiewende ist in der Stromproduktion sehr schlecht. Langsame CO2-Reduktion, hochsubventioniert und extrem teuer, dafür in Europa auf dem vorletzten Platz im CO2-Ausstoß. Die wenigen unverbesserlichen Fanboys, die Deutschland immer noch als Vorbild wähnen kann man ignorieren, und wenigstens taugt das ganze noch als Warnung an andere: das Ausland sieht, wie es nicht geht.

    • @Descartes:

      Es mag richtig sein, dass Deutschland einiges falsch gemacht hat. Teurer ist der deutsche Strom allerdings nur, solange Sie allein die Kosten für die Endkunden betrachten.



      Gerade französischer Strom ist massivst staatlich subventioniert. Und keine französische Regierung wird sich aus welchen Gründen auch immer dranmachen, diese Subvention abzubauen. Im Gegenteil, wenn aufgrund aufgebrauchter Uranvorkommen Atomstrom noch teurer wird als er jetzt schon ist, wird das alles von der Regierung gestemmt werden, weil es politisch einfacher ist, an anderen Stellen zu sparen, als dem Wähler einen höheren Strompreis zuzumuten.

  • Die AKWs brauchten lange, 48 h, um wieder ans Netz zu gehen. Und das war bereits ein besonderes Risiko.



    Warten wir die ausführliche Analyse ab. Am Nordpol ohne Atomstrom.

  • In der Tat..der von @Ciro verwendete Begriff des konservativen *Fetisch* trifft die Sache wirklich gut.



    Ich frage mich auch schon seit einiger Zeit welcher Mythos sich in deren Köpfen fest gesetzt hat, daß sie gegen jede ökologische und ökonomische Vernunft und mit sehr verkürzten Argumenten so daran festhalten..



    Gut..Mythen sind offenbar recht langlebig..und das Märchen von der unbegrenzten sauberen Energie aus den 50er steckt wohl noch in vielen Köpfen (und das nicht nur Spanien..).



    Anyway der Siegeszug der Erneuerbaren ist nicht aufzuhalten..deshalb braucht man den rigiden Innovationsverweigerern auch nicht allzu viel Aufmerksamkeit schenken.



    Viel wichtiger ist es, jetzt den nächsten Schritt mit aller Kraft voran zu treiben sprich Speichertechnologien zu pushen und den Netzausbau zu befördern. Denn damit bekommen wir absehbar tatsächlich die unbegrenzte und saubere Energie, die wir brauchen..die (dann) zudem äußerst Kostengünstig ist, keine Endlagerprobleme mit sich bringt, die auch deshalb sicher ist, weil sie im Konfliktfall redundant ist, usw. usw..

    Sonne, Wind und Speicher.!! - so geht der wahre Mythos von der strahlenden Zukunft..liebe Atomfreunde..

    • @Wunderwelt:

      Ich würde Ihnen gerne recht geben, aber das mit den Speichertechnologien wird noch eine Weile brauchen und dürfte auch nicht unproblematisch sein (Recycling), bei den Windrädern muss das mit dem Abrieb an den Flügeln, sowie die Entsorgung ebenfalls erst noch richtig geklärt werden.



      Ganz so einfach, wie Sie sich das vorstellen wird es nicht gehen.

  • Der Fetisch der Konservativen und Rechten. Objektiv gefährlich und teuer, dennoch immer wieder mal aus dem Hut gezogen.

  • 2017 wurden nur 34% des spanischen Stroms aus regerativen Quellen erzeugt, letztes Jahr waren es 59%. Es ist absehbar dass wir schon am Start eines Boom der Batteriespeicher sind und es sollte jedem klar sein dass Spanien 100% erneuerbaren Strom erreicht vor dem Spatenstich für einen neuen Nuklarreaktor. Wie kann man die Sturheit derart vieler konservativer Politker anders erklären als mit Ignoranz und Boshaftigkeit?

  • Was auch immer in Spanien passiert ist:

    Hohe Frequenzschwankungen sind ein Problem. Wenn Stromnetze getrennt werden (was immer wieder vorkommt), machen hohe Schwankungen Blackouts wahrscheinlicher, weil in den Teilnetzen die Frequenz leichter zu hoch oder zu niedrig wird.



    Und das heißt: Ein hoher Anteil von Sonnen- und Windenergie macht Blackouts häufiger, auch wenn sie nicht die Ursache sind. Die nötigen Giga-Speicher, da auszugleichen, sind nicht in Sicht. Eine beständige Grundlast hingegen machen Blackouts aus diesem Gründen seltener, egal ob sie aus Kohle, Kernenergie oder Wasser kommt.

    • @Frauke Z:

      Die Giga-Speicher sind deswegen noch nicht marktreif, weil sie neben Atomkraftwerken keinen wirtschaftlichen Sinn ergeben.



      Und wenn wir die Speicher erstmal haben, sind sie genau das, was Sie fordern: Eine Quelle für beständige Grundlast. Wesentlich flexibler als ein AKW es je sein könnte.

      • @Herma Huhn:

        Es wird doch immer behauptet, dass Atomkraft so teuer sei und deshalb nicht konkurrenzfaehig.



        Wie kann es dann sein, dass Giga-Speicher neben Atomkraftwerken wirtschaftlich keinen Sinn ergeben, schliesslich ist die Alternativ zu Atomkraftwerken nicht nur der Speicher, sondern natuerlich auch die Anlagen fuer Sonne/Wind und der Netzausbau fuer eben jene.

      • @Herma Huhn:

        @Herma Huhn und Janix:

        Mein Stand ist, dass "Stabilisatoren" in Form von Großspeichern technisch nicht machbar sind.



        D.h. natürlich gibt es viele Ideen und Experimente in Laborgröße und leicht darüber - einen wirklichen Kandidaten für eine Technik, die sich auf großen Maßstab skalieren lässt und dann sicher, zuverlässig und mit insgesamt vertretbaren Stromverlusten und Kosten arbeitet, gibt es noch nicht.



        Falls ich etwas Wesentliches verpasst haben sollte, bin ich sehr an der Information interessiert.

    • @Frauke Z:

      Vollkommen richtig. Der Mix machts, allerdings dann bitte Geothermie, Wasserkraft und Kernenergie fuer die Grundlast. Letzteres fuer die, die mit den ersten beiden Varianten nicht ausreichend gesegnet sind.

      Interssant finde ich aber etwas anderes:



      Wie Sie beschrieben haben, erhoeht sich die Wahrscheinlichkeit eines Blackouts durch einen hohen Anteil an Sonnen- und Windenergie. Was nicht heisst, dass jeder Blackout darauf zurueckzufuehren ist.



      Ebenso erhoeht der Klimawandel die Wahrscheinlichkeit von manchen Umweltkatastrophen oder Extremwetterlagen. Was nicht heisst, dass jene immer auf diesen zurueckzufuehren sind.

      Nun wirft die eine Seite der anderen vor, pauschal Sonnen- und Windernergie als Grund fuer Blackouts zu bennen, was sie natuerlich nicht davon abhaelt, fuer jede Umweltkatastrophe oder Extremwetterlage den Klimawandel verantwortlich zu machen. Waehrenddessen vollzieht die andere Seit das gleiche Spiel mit umgekehrten Standpunkten.



      Und dann schimpfen sie beide wie Rohrspatzen ob der unfairen Methoden des Gegenuebers und es faellt ihnen nicht mal auf. Grandios ;-)

    • @Frauke Z:

      Kommt drauf an, ob man stabilisierende Elemente einbaut oder nicht. Kostet dann halt was. Erneuerbare sind aber immer noch billiger.



      Und sie brauchen flexible Ergänzung, keine alt-ranzigen AKWs, die unflexibel sind.

OSZAR »